Das Bild ging um die Welt. Papst Franziskus öffnete die Flügel der sog. heiligen Pforte im Petersdom. Nach dem Beginn des Kirchenjahres am ersten Advent und vor dem neuen Kalenderjahr eröffnete er mit dieser eindrucksvollen Geste ein sog. „heiliges Jahr“ als Jahr der Barmherzigkeit. Das mag zunächst wieder so ein katholisches „Sonderding“ sein. Die Botschaft von Gottes Barmherzigkeit aber gilt den Menschen aller christlichen Konfessionen und Religionen, sie gilt allen Menschen guten Willens. Wer will ernsthaft bestreiten, dass die gegenwärtige Welt an vielen Orten und aus vielen Nöten nach Barmherzigkeit schreit.
Barmherzigkeit bedeutet das „Herz bei den Armen“ haben, ein Herz für sie zu haben. Zuerst ist Barmherzigkeit das Wesen Gottes. Bei aller Vorsicht vor menschlichen Begriffen für Gottes Wirklichkeit: Gott hat ein Herz für uns Menschen. Weit mehr als oberflächlich religiöse Stimmung das fassen kann, macht Gott in echter Liebe Ernst. Sein Sohn ist Mensch geworden, und Er, Jesus Christus zeigt uns das Herz Gottes. Das Kind in der Krippe rührt viele Menschen an. Der erwachsene Jesus Christus ruft auf, an die Barmherzigkeit Gottes zu glauben und sich an ihr zu orientieren! Die Hartherzigen, die Gleichgültigen und um sich Kreisenden ruft er zur Umkehr und zum Umdenken, dass sie Gottes Barmherzigkeit erkennen. Wer das eigene Leben und die Mitmenschen in diesem Licht sehen kann, verurteilt und richtet nicht mehr andere, macht sie nicht fertig. Sein Herz lässt sich bewegen von Menschen in ihrer seelischen, physischen und sozialen Not.
Bereits in den „Jubeljahren“, von denen die Bibel berichtet, wurde deutlich, dass die Hinwendung zu Gott sehr konkrete Konsequenzen für das soziale Leben haben soll. Schulden sollten erlassen, Gefangene in Freiheit gesetzt, Abhängigkeitsverhältnisse aufgelöst werden. Das Volk Israel sollte sozial und politisch an Gottes Barmherzigkeit Maß nehmen. Mit solchem Glauben allein lassen sich zwar nicht alle politischen Probleme der Gegenwart lösen, aber für viele sehr drängende aktuelle Herausforderungen gibt er hilfreiche Orientierung. Der Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Bedford-Strohm, schreibt: „Wer die vorrangige Option für die Schwachen im Herzen trägt“ – mit anderen Worten „barmherzig“ ist – der kann den Kurs einer an Humanität orientierten Flüchtlingspolitik nur begrüßen.“ Fremde aufzunehmen gehört seit dem Mittelalter als ein Werk der leiblichen Barmherzigkeit zum Kernbestand christlich-abendländischer Kultur.
Dazu ist Jesus Christus Mensch geworden: Dass wir in ihm dem Geheimnis des barmherzigen Gottes näher kommen, vielleicht mit Fragen und Zweifeln, besser jedoch mit Staunen und Vertrauen. Weihnachten dürfen wir dieses Geheimnis voll Freude feiern. Im ganzen kommenden Jahr mögen wir daraus Trost und Kraft für die eigenen Nöte und Orientierung für unser Zusammenleben finden.
Frohe und gesegnete Weihnachten!
Ilka Federschmidt (Superintendentin Wuppertal)
Dr. Bruno Kurth (Stadtdechant Wuppertal)
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